Samstag, 6. April 2013

Mir fehlen die Worte


Es fällt mir immer schwer, den richtigen Anfang zu finden, wenn ich hier etwas niederschreiben möchte. Meine Gedanken wirren nur so um mich herum, damit ich einen vernünftigen Anfang finde. Die gleichen Probleme hatte ich auch früher in der Schule, wenn es darum ging einen Aufsatz zu schreiben. Das Thema wurde zwar vorgegeben, aber dennoch muss man erst einmal eine Einleitung finden und diese Einleitung in die Geschichte, in meine Geschichte fällt mir schwer. Ich möchte so viel schreiben, nur fehlen mir oftmals auch die richtigen Worte. Aber die fehlen mir eigentlich ständig. Von daher bin ich ein sehr schweigsamer Mensch. Vielleicht ist es auch nur die Angst, man könnte etwas Falsches sagen und möchte nicht belächelt werden. Meistens überlege ich immer zu lange, bis mir die richtigen Worte einfallen und dann ist es eben wieder zu spät. So ging es mir auch immer in der Schule, mündliche Beteiligung bei mir war gleich null.  Selbst wenn die Lehrer mich mal dran genommen haben, ohne das ich mich meldete, fehlten mir die Worte. Zum Glück hab es immer einige Schüler, die meinten, sie müssen auch zwischen quaseln, wenn sie gar nicht dran waren, das ersparte mir das lange Schweigen. Was ich nie verstanden habe und auch heute noch nicht verstehe, ich kenne die Antwort und traue mich dennoch nicht die Antwort zu geben, aus Angst, sie könnte falsch sein. Im Nachhinein ärgerte es mich immer, wenn dann andere meine Antwort vorsagten. Warum habe ich es denn nicht gesagt? Auch gab es mal falsche Antworten von einigen Schülern, manchmal wurde darüber gelächelt, aber doch eher selten. Also wovor nur hatte ich Angst. Mich hätte sicher auch keiner ausgelacht, oder doch? Hätten sie bei mir gelacht, weil ich sowieso selten etwas von mir gab.
Ich war so froh, dass ich eine richtig gute Freundin in meiner Klasse hatte. Auch gab es in der Grundschule noch einen Jungen, der in unserer Nachbarschaft wohnte. Mit diesem verstand ich mich auch sehr gut, aber das hat mich nie gewundert, denn ich hatte immer das Gefühl, das ich mit Jungs bessere Gespräche führen könne, als mit Mädchen. Vielleicht lag das auch daran, das ich mit drei Brüdern aufgewachsen bin. Jungs wollten bei ihren Unterhaltungen nie genaue Details besprechen, es reichte aus, wenn man sich für Fußball interessierte und keine dummen Kommentare abgibt. Und über Fußball konnte ich sehr gut sprechen, denn ich kam aus einer sehr fußballbegeisterten Familie. Am Wochenende wurde im Radio die Liveübertragung gehört, da durfte niemand zwischen sprechen, damit mein Vater auch jeden Kommentar mitverfolgen konnte. Abends im TV kam dann die Sportschau, auch da mussten wir Kinder ruhig sein. War auch nicht so schwierig, schließlich interessierten sich meine Brüder auch für Fußball und so hatte ich meine Ruhe, reden wollte ich eh nicht viel. Aber ich bekam immer genug mit, damit ich mein Fußballwissen mit dem Jungen aus meiner Klasse austauschen konnte. So hatten wir immer ein Thema, über das wir uns unterhalten konnten. Meistens fanden diese Unterhaltungen allerdings auf dem Nachhauseweg aus der Schule statt, denn in der Schule redete er kaum mit mir, da hatte er seine anderen Freunde. Aber der Nachhauseweg gehörte nur mir und diesem Jungen. Ich denke gerne an diese Zeit zurück.
Die Schule war so eine Zeit, da bin ich einfach durchmarschiert. Ich ging nie gern in die Schule, aber es gehörte halt dazu. Klassenfahrten fand ich ganz schlimm, aber ich musste an jeder teilnehmen und immer ohne meine beste Freundin. Das war die Hölle. Sie durfte nie mit auf Klassenfahrt, ihre Eltern haben es immer verboten. Früher glaubte ich halt, es läge an den finanziellen Mitteln in ihrer Familie, aber viele Jahre später habe ich den wahren Grund dafür erfahren. Der Vater wollte die Kontrolle über „seine Mädchen“ behalten. Meine Freundin hatte noch weitere 6 Geschwister, drei Schwestern und drei Brüder. Der Vater hat alle Mädchen sexuell missbraucht. Ich mochte ihren Vater immer sehr gerne leiden, er war ein sehr liebenswerter Mensch. Darüber darf ich gar nicht nachdenken, wie man sich täuschen kann und wie die äußere Fassade eines Menschen den Durchblick ins Innere verwehrt. Fast 15 Jahren nach diesen Übergriffen hat meine Freundin mit mir darüber gesprochen und ich war (wie immer) sprachlos. Aber ich verspürte in diesem Moment auch Gefühle, die ich nicht beschreiben kann. Hass auf den Vater, Mitleid für meine Freundin und ihre Schwestern. Es schwirrten in diesem Moment wieder so viele Fragen durch meinen Kopf, aber ich war nicht fähig sie zu stellen. Auch tröstende Worte konnte ich nicht finden. Also saßen wir nach dieser Offenbarung von ihr einfach nur schweigsam zusammen. Vielleicht war es in diesem Moment auch richtig, einfach nur zu schweigen. Dennoch waren meine Gedanken und Überlegungen die ganze Zeit, was sage ich jetzt nur. Wie finde ich die richtigen Worte. Aber ich fand sie nicht. Immer, wenn ich an dieses Gespräch zurückdenke, dann hoffe ich, dass dieses Schweigen meine Freundin nicht noch mehr verletzt hat. Denn verletzten wollte ich nie jemanden. Deswegen muss ich auch immer so lange nachdenken, bevor ich in traurigen Situationen einen Kommentar abgebe. Ich habe immer Angst, die falschen Worte zu benutzen. Manchmal muss man ja auch keine Worte finden, dann reicht im richtigen Moment wohl eine tröstende Umarmung. Aber leider kann ich auch dies nicht wirklich. 

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