Dienstag, 28. April 2015

Brief-Aktion an einen 10-jährigen Autisten


Dieser Post ist einem 10 jährigen Autisten gewidmet, dem sein Autismus sehr peinlich ist und sich als defekt sieht. Hier noch einmal der Link zu dieser tollen Aktion: Brief an einen Autisten.
Mit diesem Brief möchte ich an der Aktion beitragen:

Hallo,
ich bin selbst Autistin und habe einen Sohn, der ebenfalls 10 Jahre alt ist und Asperger-Autist.
Als ich in deinem Alter war, fand ich alles doof, zumal ich damals auch noch nichts wusste von meiner Diagnose und überhaupt nicht verstehen konnte, warum alles so ist wie es ist. Hört sich jetzt sicher etwas kompliziert an, aber damals glaubte ich, an mir sei einfach alles verkehrt und ich war ständig auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Ich probierte so viel aus und scheiterte genau so oft. Meine größte Leidenschaft war das Lesen und das ist bis heute auch so geblieben. Ich habe alles verschlungen, was es so zum Lesen gab und versuchte mich mit jedem Helden aus meinen Büchern zu identifizieren, aber meistens waren es nur die traurigen Kapitel, in denen ich Ähnlichkeiten herausfiltern konnte. Das liest sich jetzt vielleicht alles etwas traurig, aber so traurig und einsam war mein Leben nicht. Ich hatte noch drei Geschwister und meine Cousine, die mich immer wieder aus meinem für mich tristen Alltag herausholten und mich überall mit hinnahmen, so das ich nur wenig Zeit fand, meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Einen richtigen Rückzugsort hatte ich damals auch nicht, da ich mir mein Zimmer noch mit meinen drei Geschwistern teilen musste und so baute ich mir eine kleine Höhle mit Decken, welches mein Reich war und wo ich meine Ruhe fand, wenn ich mal allein sein wollte. Mein bester Freund war ein kleiner Teddy, dem ich all meine Sorgen und Freuden mitteilen konnte. Er hörte mir zu und war immer zur Stelle, wenn ich ihn brauchte. In der Schule war ich nicht gerade die beste Schülerin, gehörte so immer zur „Mittelklasse“. Das Lernen ist mir immer sehr schwer gefallen, aber ich habe das Klassenziel immer mit müh und Not geschafft. Meine Lieblingsfächer waren Deutsch und Englisch. Sport war mir immer ein graus.

Mein Sohn, der ja in deinem Alter ist, ist ein kleiner Computer-Freak. Seine derzeitige Lieblingsbeschäftigung ist Minecraft (welches wohl auch sein derzeitiges Spezialinteresse ist). Es macht mir wahnsinnig viel Spass, ihm beim erkunden und bauen seiner Minecraft-Welt zuzuschauen. Ich finde es total faszinierend, mit welchem Eifer und Ehrgeiz er dabei ist. Bevor er sein Interesse für Minecraft entdeckt hat, war es Star Wars. Er hat alle Filme immer und immer wieder geschaut und konnte die meisten Dialoge schon mitsprechen. Er hat so viele Bücher von Star Wars gelesen und alles gesammelt, was er dazu so fand. Unter anderem natürlich auch die Force-Attax-Sammelkarten, die er dann mit seinen Freunden tauschen konnte.

Mein Sohn ist ein sehr guter Schüler, obwohl er nach eigener Aussage gar nicht gerne in die Schule geht und viel lieber seine „kostbare“ Zeit am PC verbringen würde. Aber das ist sicher eine ganz normale und gesunde Denkweise eines 10-jährigen Kindes. Computer gab es in meiner Kindheit noch nicht, aber ich bin der Meinung, wenn es das damals schon gegeben hätte, dann wäre ich wohl auch ein PC-Freak geworden. Dank des Computers bzw. des Internets kann man sich als Autist wunderbar mitteilen, seine Gedanken in Blogs niederschreiben, virtuelle Freunde finden und an tollen Aktionen teilnehmen, so wie diese Briefaktion.

Ich könnte jetzt noch stundenlang weiter schreiben, denn ich denke, ich hätte dir noch eine Menge zu erzählen, aber sicher erhältst du aufgrund dieser Aktion so viele Briefe, das du gar nicht mehr zu deinen Hobbys kommst und die sollten und dürfen auf gar keinen Fall zu kurz kommen.

Ich wünsche dir alles Gute und hoffe, dass ich vielleicht auch mal etwas von dir zu lesen bekomme.

Zu guter Letzt möchte ich dir noch meinen Lieblingssatz auf den Weg geben: „Sei täglich der beste Autist, der du sein kannst“ – mehr geht nicht.

Montag, 27. April 2015

NT vs. Aspie – Ein Vergleich meiner Kinder


 Vor einigen Tagen sind mir beim Sortieren meiner Unterlagen zwei Ordner in die Hand „gefallen“, welche schon seit Ewigkeiten im Schrank stehen, aber keines Blickes mehr gewürdigt wurden. Es handelte sich um die Ordner meiner Kinder aus Kindergartenzeiten und Beginn der Schulzeit, also gesammelte Werke aus dieser Zeit sowie Notizen meinerseits in gewissen Zeiträumen und Situationen.  Da diese beiden Ordner gemustert sind und so gar nicht zu den anderen einheitlichen Ordner passen, habe ich sie rausgezogen zwecks umsortieren in passende Ordner, damit diese in der Reihe nicht mehr so „rausstechen“.
Während ich den Ordner von meinem ältesten Sohn in die Hand nahm und diesen öffnete, fiel mir sofort eine Notiz „ins Auge“, die gleich oben auf geheftet war. Ich las sie mir durch, schaute wieder auf die Beschriftung des Ordners und wunderte mich gleichzeitig, da die aufgeschriebenen „Merkmale“ doch sehr an meinen jüngeren Sohn erinnerten. Nun zog ich auch den Ordner von meinem autistischen Sohn heraus und verglich beide Kinder anhand meiner Aufzeichnungen. Beide Kinder haben einen Altersunterschied von 14 Jahren, da vergisst man schon einmal einige Kleinigkeiten und diese habe ich nun wieder etwas aufgefrischt. 

Ich war schon sehr erstaunt, wie sich beide Kinder einerseits anhand meiner Notizen, der Beurteilungen der Erzieher und  Lehrer ähnlich waren und andererseits, wie unterschiedlich beide die ersten 10 Jahre dennoch waren.

Beide Kinder besuchten den gleichen Kindergarten, aber es war nicht mein autistischer Sohn, der im ersten Jahr im Kindergarten Auffälligkeiten zeigte, sondern mein neurotypischer Sohn. Dieser fand im ersten Jahr keinen Anschluss zu den anderen Kindern, hatte keine Freunde, weinte ständig und bekam Wutanfälle, wenn ich ihn in den Kindergarten brachte. Mein kleiner Aspie zeigte keinerlei Reaktion, wenn ich ihn im Kindergarten ablieferte, fand schnell Freunde und war mit Freude dabei. Die Auffälligkeiten hatten wir ja überwiegend nur zuhause, da er dort all seine Wut raus lies. Gesprochen haben beide Kinder im Kindergarten sehr wenig. Mein NT-Sohn anfangs nur mit einer Erzieherin, mein Aspie mit seinem besten Freund und einer Erzieherin, ansonsten war er stumm.

Auch in der Grundschulzeit war es mein NT-Sohn, der wesentlich mehr Auffälligkeiten in der Schule zeigte, als unser Aspie. Zwar hat dieser während der Grundschulzeit mehr Freunde gefunden, ist aufgeschlossener geworden, aber er hatte seine Probleme mit den Lehrern, die ihn einfach nicht verstehen wollten. Dies änderte sich auch während der gesamten Schulzeit nicht, so dass wir ständig Briefe aus der Schule erhielten oder uns am runden Tisch wieder fanden.


Ich musste nun gerade feststellen, dass es mein Aspie wesentlich leichter hatte in den ersten 10 Jahren, als mein NT-Sohn. Jetzt mag es daran liegen, dass ich aufgrund der Diagnose gelernt habe, für die Rechte meines Kindes zu kämpfen, über mich hinausgewachsen bin und mich gerade selbst neu finde aufgrund meiner Diagnose und ich all dies früher nicht gesehen habe bzw. mich auch nicht getraut habe, eine andere Meinung als die anderen zu vertreten.  Es macht mich nun einerseits sehr traurig, dass mein NT-Sohn keine Kämpferin zur Mutter hatte und er genau das durchmachen musste, was uns Autisten sehr gerne nachgesagt wird. Er hat sehr viel gelitten unter seinem NT-Wesen. Zum Glück ist mein NT-Sohn heute inzwischen ein junger Mann, der mit beiden Beinen im Leben steht und sein Leben sehr gut meistert und inzwischen auch nicht mehr unter seinem NT-Leben leiden muss :-)


Donnerstag, 16. April 2015

Täglich die beste Autistin, die ich sein kann

„Täglich die beste Autistin,
die ich sein kann“
(Quelle: LunA)

Schon seltsam, was diese Worte in Form eines Anhängers, den ich in Leipzig beim 2. Leipziger Autismustag am Infobörsenstand von „LunA“ fand jetzt gerade bei mir auslöst. Er motiviert mich gerade zu  und genau nach diesem Motto strukturiere ich gerade meinen Alltag, der mir nun jeden Tag neue Herausforderungen bringt.

Nachdem mein 10-jähriger Sohn seit November fast durchgehend aufgrund von Erkrankungen der Schule fern bleiben musste und wir erst Ende März die Ursache gefunden haben und nun alles nach einer OP wieder seinen normalen Weg geht und mein ältester Sohn aufgrund eines Leistenbruchs ebenfalls im März eine OP hatte, dachte ich, nun ist erst einmal Ruhe und ich kann mich wieder langsam auf meine gewohnten Routinen einlassen. Aber ich habe diesen Wunsch ohne meinen Mann gemacht J Nun habe ich ihn für mehrere Monate zuhause. Der OP-Termin rückt langsam näher und es wird ein schwieriger Eingriff, der uns/mich wieder vor viele neue Herausforderungen stellt. Gestern nach dem Befund wusste ich nicht, wo mir der Kopf steht, wie ich das alles bewältigen soll, meine Strukturen, Routinen, alles weg…..

Heute Morgen fiel mir dann dieser Anhänger von LunA ins Auge. Ich schaute drauf, las und war plötzlich motiviert. Genau so wird es nun angegangen. Niemand erwartet schließlich von mir, das ich alles gut meistere, aber ich werde mein Bestes geben, so lange ich es kann und wenn es nicht geht, dann habe ich es zumindest versucht, frei nach dem Motto „Täglich die beste Autistin, die ich sein kann“ – mehr geht nicht. Danke LunA


Sonntag, 12. April 2015

LunA – Meine Eindrücke



Mit 30 minütiger Verspätung habe ich mich am Samstag morgen um 06.30 Uhr in Begleitung meiner Nichte und meines Sohnes auf den Weg nach Leipzig gemacht, um am 2. Leipziger Autismustag „LunA – Leipzig und Autismus“ teilzunehmen.

Ich hatte zwar an diesem Tage einen Verkaufsstand mit meinem Schmuck vor Ort, schildere aber hier nur meine Wahrnehmungen, Gedanken und Eindrücke. 

Die Fahrt war relativ entspannend, da meine Nichte mit dem Auto gefahren ist und ich somit nur als Beifahrer fungierte. Weite Strecken, wie in diesem Fall mit etwas über 200 km Entfernung kann ich selbst nicht bewältigen und so war ich froh, eine Fahrt antreten zu können, die mir ohne Begleitung nicht möglich gewesen wäre.

Gegen 08.45 Uhr sind wir am Ziel, dem Mediencampus  der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig angekommen.



Größere Menschenmengen bewirken bei mir immer noch Angst und Unsicherheit und so war ich gleich zu Beginn erleichtert, dass alles noch sehr übersichtlich war und ich mir erst einmal einen großen Überblick der Umgebung und der Räumlichkeiten machen konnte.
Noch während ich mit Begleitung und Gepäck an der Anmeldung stand, wurde ich von meiner Freundin und Organisatorin von LunA erblickt und sofort ganz freudig begrüsst. Damit war für mich schon der 2. Punkt meiner Unsicherheit weggefallen. Denn wie immer bei solchen Veranstaltungen schaffe ich es nur selten bis gar nicht, auf die Leute zuzugehen und anzusprechen, obwohl ich diese flüchtig oder sogar gut kenne. Bei meiner Freundin wäre mir dies sicher nicht schwer gefallen, aber hier waren meine Ängste, dass ich sie aufgrund der Vielzahl an Menschen nicht sofort erkenne. Aber alles gut gelaufen J

Das es aber auch den anderen Fall geben kann, nämlich einen Menschen zu erblicken, den man bereits durch persönliche Gespräche, Vorträge und dem sozialen Netzwerk gut kennt und dennoch nicht schafft, ihn anzusprechen, ist ein Hindernis für mich, welches mich immer und immer wieder ärgert und mich auch im Nachhinein noch eine lange Zeit beschäftigt. Gerade weil man sich wünscht, eine Unterhaltung mit dieser Person zu führen, es aber nicht schafft, sich zu überwinden und diesen kleinen Schritt geht. Ein Schritt, den ich für mich nicht gehen kann. Nun schwirren mir wieder tausend Bilder einer eventuell möglichen Begegnung und Unterhaltung im Kopf herum und ich werde sie derzeit nicht los. Dieser Punkt war sehr enttäuschend für mich und passiert mir leider immer wieder. L


Von daher bin ich immer wieder froh, wenn Menschen in mein Leben treten, die ich aus dem sozialen Netzwerk schon richtig gut kenne und welche dann an solchen für mich sehr anstrengenden Tagen auf mich zukommen und ansprechen. In diesem Moment ist dann meine innere Blockade gebrochen und es kann eine nette Kommunikation starten. Danke an dieser Stelle an meine virtuellen Freunde, die ich nun persönlich kennen lernen durfte. Danke, dass ihr diesen Schritt in meine Richtung gemacht habt. Ein Schritt, der für viele keine Bedeutung hat und für mich eine immer wieder neue Erkenntnis bringt. Eine Erkenntnis, dass eine virtuelle Freundschaft auch im realen Leben einen guten Bestand haben kann.

„LunA“ war perfekt organisiert, es gab sehr interessante Vorträge mit anschließender Podiums-Diskussion, die ich leider nicht mit verfolgen konnte aufgrund meines Verkaufsstandes.
Von daher kann ich über die Vorträge keinen Bericht abliefern, aber dafür wird es andere Blogs geben, die dort ihre Eindrücke schildern werden, worauf auch ich schon sehr gespannt bin. Ich konnte/durfte dennoch einen Vortrag hören und allein dieser Vortrag "Echt autistisch! Mädchen und Frauen durchbrechen Klischees“ hat alle Erwartungen meinerseits übertroffen.
Es war nicht nur informativ, sondern man erkannte sich oftmals selbst wieder und wurde sofort in die eigene Kindheit mit all den Erinnerungen, die man hat, zurückversetzt. Dinge, die ich selbst so erlebt habe, aber trotz meiner Diagnose so noch gar nicht reflektiert hatte, wurden geweckt und ich wurde wieder mal zum nachdenken animiert. Danke Tina, für diesen eindrucksvollen Vortrag, der mit vielen Bildern noch intensivere Spuren bei mir hinterlassen hat.

Auch die Informationsstände waren gut gemischt und mit vielerlei Informationsbroschüren, Büchern, persönlichen Gesprächen und Beispielen zur besseren Veranschaulichung vertreten.

So anstrengend dieser Tag auch für mich persönlich war und ich erst wieder sehr langsam in meinen Alltag zurückkehren werde, genau so überwältigend waren alle Eindrücke und Wahrnehmungen, die auf mich „eingestürzt“ sind.

Ein Tag, für den es sich wirklich gelohnt hat, all diese Strapazen auf sich zu nehmen. Obwohl ich auch einen kleinen Kritikpunkt nicht außer Acht lassen möchte. Auch hierbei handelt es sich allein um meine Meinung und Wahrnehmung, aber Kritik sollte bei gut geplanten Veranstaltungen nicht abwertend angesehen werden, sondern einfach nur als gut gemeinten Hinweis. Für mich sind Fachtagungen und/oder Informationsveranstaltungen zum Thema Autismus in erster Linie für die breite Öffentlichkeit gedacht, damit jeder die Gelegenheit erhalten kann, daran teilzunehmen und ein gemeinsamer Austausch stattfindet, Informationen gesammelt werden können und somit zur Sensibilisierung und Aufklärung zu dieser Thematik beitragen. Dies ist bei einer m.E. extrem hohen Tagungsgebühr nicht jedem möglich und somit nur denen zugänglich, die das nötige Kleingeld haben oder aber nur einzelnen Personen und nicht für ganze Familien. Aufgrund eigener Erfahrung mit solch einer Veranstaltung denke ich, wenn die Eintrittsgelder weitaus geringer ausfallen würden (oder sogar komplett wegfallen), man somit eine weit aus größere Teilnehmerzahl erreichen und somit wesentlich mehr zum Thema beitragen. 

Nichts desto Trotz ist LunA immer eine Reise wert.


Vielen Dank an die Organisatoren und die vielen Helfer im Hintergrund. Einfach tolle Arbeit.