Donnerstag, 4. April 2013

Herbstgedanken

Der Herbst hat eine faszinierende Wirkung auf mich. Als Kind glaubte ich, das es daran liegt, weil ich im Herbst geboren bin. Aber daran liegt es natürlich nicht, denn wie viele Menschen sind im Winter geboren und lieben den Sommer. Ich mag keine Menschenaufläufe, sie schrecken mich irgendwie ab. Oftmals muss ich mich überwinden damit klar zu kommen, aber es ist eine schwere Stressbewältigung in diesem Moment. Auch die Zeit davor kann ich keine klaren Gedanken fassen, immer drehen sich meine Gedanken darum, dass ich bald wieder auf viele fremde Menschen treffen werde. Dies ist auch im Sommer so, wenn man zum Baden fahren möchte, alles überlaufen. Man fährt in Urlaub und findet überfüllte Urlaubsorte. Im Herbst mache ich meine Spaziergänge an Seen und in Wäldern. Hin und Wieder trifft man andere vereinzelte Menschen, die ebenfalls die letzten herbstlichen Sonnenstrahlen genießen wollen, mit ihrem Hund bzw. mit ihren Kindern spazieren gehen oder Jogger und Nordic-Walker. Dies macht mir keine Angst, denn ich weiß, sie gehen auch nur ihren Weg, vielleicht hin und wieder mal ein höfliches „Hallo“ und das war es. Auf Veranstaltungen, an Badestränden etc. ist man für längere Zeit an diese fremden Menschen gebunden, ist manchmal gezwungen Smalltalk zu führen. Selbst wenn ich mit sehr guten Freunden an solchen Orten bin, fühle ich mich nicht wohl, aber sie bieten mir eine gewisse Art von Sicherheit. Nicht alle Veranstaltungen lassen sich vermeiden, oftmals geht dies, da es ja freiwillig ist, aber nicht immer…. z.B. Familienfeiern in größerem Rahmen (kleinere Feiern machen mir nicht all zu viel aus), geplante Aktionen in Kindergarten/Schule (man möchte sein Kind ja unterstützen) oder auch Betriebsfeiern, Elternabende, etc. Natürlich müsste ich nicht zu Elternabenden gehen, aber als Mutter habe ich auch eine Verpflichtung, über mein Kind und die Planungen in der Schule informiert zu sein. Also sehe ich dies als eine Art von Pflichtveranstaltung. Früher bei den Elternabenden an der Schule meines ältesten Sohnes war es schlimm. Es wurde ein Eltern-Stammtisch gegründet und man traf sich regelmäßig. Zum ersten Stammtisch bin ich auch gegangen (ich sah es einerseits wieder mal als Pflicht an und zum anderen dachte ich, so kann man auch die Eltern der Freunde seines Kindes kennen lernen und vielleicht ergeben sich so auch Freundschaften). Da ich grundsätzlich nicht der Typ Mensch bin, der auch andere zugeht und auch meist immer nur ein stiller Zuhörer bin, können sich so natürlich keine Freundschaften finden. Ich wunderte mich immer nur, warum die anderen zu viel zu erzählen hatten. Außer ein „Ja, das kenne ich auch“ oder so ähnlich, konnte ich keine Kommentare abgeben. In meinem Kopf arbeitete es immer so dermaßen, das meine Sätze auf eine Frage bzw. Kommentar so verzögert waren, das die anderen bereits bei einem anderen Thema waren und mein Kommentar nun nicht mehr gepasst hätte. Frei heraus etwas sagen, ohne über meine Wortwahl nachzudenken, das konnte ich nicht. Heute funktioniert dies bereits wesentlich besser. Smalltalk mag ich immer noch nicht besonders gerne, bin auch froh, wenn dieser wieder beendet ist, aber ich kann inzwischen mit anderen sehr gut und lange kommunizieren, aber es muss ein interessantes Thema sein und vor allem, ich muss die Personen kennen. Es müssen keine Freunde sein, aber dennoch muss ich erst etwas über diese Person wissen, bevor ich mich zu einem Gespräch hinreißen lasse. Wenn ich irgendwo neu bin, dann beobachte ich lieber sehr viel und sehr lang. Ich stehe nicht gerne im Mittelpunkt und versuche dies auch immer zu vermeiden. Leider gelingt es mir nicht immer, dazu engagiere ich mich seit längerer Zeit auch zu viel mit dem Thema „Autismus“. Wer Öffentlichkeitsarbeit macht, egal in welcher Art und Weise, muss damit rechnen, das man hin und wieder im Mittelpunkt steht. Im Laufe der Zeit habe ich auch damit gelernt, einigermaßen umzugehen. Meine Art, wie ich mich heute gebe, ist eine andere als früher. Ich habe sehr viel über mich gelernt, über meine Art und versuche es immer in einer für mich angenehmen und zu ertragenden Art umzusetzen. Inzwischen habe ich aufgrund meiner Öffentlichkeitsarbeit sehr viele Eltern von autistischen Kindern und auch erwachsene Autisten kennen gelernt und ich fühle mich dort immer verstanden. An ihnen ist mir nichts fremd. Ich fühle mich in der Gegenwart dieser Menschen immer sehr befreit und angenommen. Ich habe sehr viel an eigene Sicherheit gewonnen. Viele meiner heutigen Eigenschaften habe ich mir antrainiert, wie z.B. meine Art von Blickkontakt halten, auch wie ich ein Smalltalk beginne, damit ich nicht als „graue Maus“ in der Ecke stehe, wenn ich wieder einmal irgendwo fremd bin. Diese Unterhaltungen kosten mir sehr viel Überwindung, aber ich lerne und lerne und lerne. In den letzten zwei Jahren habe ich auch viele Menschen kennen gelernt, die ich inzwischen zu meinen besten Freunden zähle, aber all diese Menschen haben etwas mit Autismus zu tun und sei es nur auf beruflicher Ebene oder als betroffenes Elternteil. Aber diese Menschen möchte ich auch nicht mehr missen. Sie sind mir wichtig geworden,  so wichtig wie der Herbst mit all seinen Facetten.  

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