Samstag, 21. Dezember 2013

Alle Jahre wieder...


…sollte Weihnachten eine besinnliche und ruhige Zeit sein, aber in unserer heutigen Gesellschaft bedeutet Weihnachten Stress, purer Stress. 
Jahrelang habe ich mir unbewusst diesen Stress auch angetan. Geschenke besorgen, Einladungen zum Fest aussprechen bzw. entgegen nehmen, Einkäufe für das Weihnachtsessen, Wohnung dekorieren und den Vorgarten, Weihnachtsfeiern, etc.

Vor zwei Jahren habe ich damit aufgehört.
 Das Dekorieren wurde weniger, aber immer noch weihnachtlich. Geschenke kaufe ich alle online, so erspare ich mir die Hektik in den Geschäften, das Gedrängel an den Kassen und das Schleppen der vielen Einkaufstaschen. 
Einladungen aus der Verwandtschaft wurden liebevoll abgelehnt mit der Begründung, dass wir einfach nur als Familie das Weihnachtsfest genießen möchten und unserem Sohn somit etwas negativen Stress damit wegnehmen. Es sollte ein Versuch sein, ob er so besser mit diesen Veränderungen rund um Weihnachten umgehen kann. Auch haben wir selbst niemanden an den Weihnachtsfeiertagen eingeladen. Es wurde kein einsames Weihnachten, sondern ein sehr besinnliches. Es war nicht nur, dass unser Sohn Weihnachten nicht kränkelte, sondern auch mir ging es wesentlich besser. Ich habe es einfach nur genossen, im Kreise meiner Lieben zu verweilen. Auch fand mein Mann, das es so viel besser ist und wir dieses weiterhin so halten sollten. Natürlich war es für Außenstehende nicht leicht zu verstehen, warum wir uns nicht mehr blicken ließen zu Weihnachten bzw. selbst keinen Besuch mehr empfangen wollten, war dies doch nicht typische Weihnachten, wo sich alle trafen, die sich sonst (fast) das ganze Jahr aus dem Wege gehen. Weihnachten 2011 war das erste Fest ohne Heucheleien und so sollte es bleiben.
Im Folgejahr haben wir es dann ebenso gehalten, nur sollte diesmal auch das traditionelle Weihnachtsessen wegfallen, damit auch ich noch etwas mehr Ruhe erhalte. Daran hatte ich dann doch etwas zu nagen, da dieses Essen ein Ritual bei mir war und für mich einfach dazugehörte. Aber ich schloss mich der Mehrheit meiner Familie an und siehe da, es wurde ein noch schöneres Weihnachtsfest, da es mit Ausnahme von den Geschenken und der Weihnachtsdekoration Tage wie alle anderen waren und dennoch anders. Denn es waren unsere Weihnachten, besinnliche Weihnachten mit unserer Familie. Jeder Einzelne von uns genoss diese Zeit in der Familie, mit der Familie.
Und so kann ich mich auch nun kurz vor Weihnachten ruhig zurücklehnen und warten, bis der Heilige Abend näher rückt. Die Geschenke werden heute von mir eingepackt, der Weihnachtsbaum am Morgen des Heiligen Abend geschmückt und kleine Vorbereitungen für den Abend getroffen. Die Kinder haben sich in diesem Jahr Raclette gewünscht und so kann ich alles in Ruhe vorbereiten und abends vor der Bescherung bereiten wir gemeinsam unser Essen zu. Ich kann wirklich behaupten, ich freue mich auf Weihnachten, ohne mir den Schweiß von der Stirn wischen zu müssen.

So lange ich denken kann, war Weihnachten die Zeit mit dem größten Stressfaktor. Egal, ob als Kind, wo ich zwar keinen Vorbereitungsstress hatte, aber die Ängste vor dem Ungewissen, was ich wohl an Geschenken erhalte, wie die Besuche ablaufen, der Gang in die Kirche. Weihnachten war leider nicht immer nur kindliche Vorfreude, sondern auch mit Angst verbunden. Als dann die Zeit kam, in der ich selbst Familie hatte, wollte ich diese Tradition natürlich fortführen, dachte ich doch, all dieses gehört zu Weihnachten dazu. Erst heute weiß ich, das es jedem selbst freigestellt ist, wie sein Weihnachten aussehen soll und dank meiner lieben und verständnisvollen Familie haben wir einen Weg gefunden, der uns gefällt und wieder Vorfreude auf Weihnachten beschert. 
In diesem Sinne wünsche ich all meinen Lesern frohe Weihnachten.

Dienstag, 10. Dezember 2013

Eine Reise in die Vergangenheit

Sorry, ich habe schon lange nichts mehr geschrieben. Leider fand ich keine Zeit, immer gab es wieder neue Hürden, die bewältigt werden mussten. Aber nun, wo für viele der alljährliche Weihnachtsstress losgeht, kehrt bei mir wieder etwas Ruhe ein. Ruhe und Zeit, damit ich wieder Schreiben kann.

In der letzten Zeit ist soviel um mich herum passiert, dass ich gar nicht wirklich weiß, wo ich anfangen soll.
Vor einigen Wochen hatte ich Klassentreffen. Ein Wiedersehen mit ehemaligen Mitschülern, zu denen ich seit mehr als 30 Jahren keinen Kontakt mehr habe. Einerseits war da die Neugier und Vorfreude auf meine allerliebste Schulfreundin, andererseits auch wieder diese Ängste. Ängste um einen nicht vorhersehbaren Ablauf des Abends mit mir doch inzwischen fremden Menschen. Wie verläuft die Kommunikation mit meinen ehemaligen Mitschülern? Wird mich jemand ansprechen oder verbringe ich, wie früher, die meiste Zeit auf meinen Platz und schaue nur interessant in die Runde und beobachte? Email- und Telefonkontakt habe ich noch mit zwei ehemaligen Schulfreundinnen und denen habe ich im Vorfeld ja schon von meiner Diagnose und meinen Kommunikationsschwierigkeiten erzählt. Diese wollten mich unterstützen und in Gespräche verwickeln. Auch meine damals beste Schulfreundin hatte sich ja vor dem Klassentreffen mit mir in Verbindung gesetzt und wusste nun Bescheid.
Mit einem doch sehr mulmigen Gefühl begab ich mich nun zu diesem Klassentreffen. Mit meiner damals allerbesten Freundin habe ich mich vor dem Treffpunkt verabredet, damit wir gemeinsam reingehen können. Das erleichterte mir die Sache schon ungemein. Als wir dann in den für uns zur Verfügung gestellten Raum gingen, waren bereits drei Personen anwesend. Wir wurden sofort überschwänglich freundlich mit einer Umarmung begrüßt. Die erste Hürde war genommen. Nach und nach trudelten dann auch die anderen Mitschüler ein. Es wunderte mich nicht wirklich, aber bis auf zwei Ehemalige habe ich alle sofort wieder erkannt nach all der Zeit. Auch vier ehemalige Lehrer kamen. Es wurden Fotos herumgereicht und man kam doch relativ schnell ins Gespräch. Natürlich war, wie schon in Schulzeiten, meine allerbeste Freundin immer an meiner Seite. Irgendwie hatte sich bei uns nichts geändert, trotz der langen Zeit, die wir ohne Kontakt waren, es war sofort wieder diese vertraute Situation aus Schulzeiten. Jeder wechselte irgendwann mal seinen Platz, um mit dem einen oder anderen Erinnerungen auszutauschen bzw. etwas aus dem derzeitigen Leben zu erfahren. Jeder? Nein. Ich saß die ganze Zeit auf meinem Stuhl und wechselte nie. Stand nur auf, wenn ich zum Rauchen mit meiner Freundin nach Draussen ging. Aber ich hatte ständig andere Platznachbarn und so konnte ich mich auch mit einigen ehemaligen Mitschülern unterhalten. Es war ein sehr schöner und sehr langer Abend, aber vor allem auch ein sehr Interessanter, denn ich habe wieder soooooo viel erfahren von mir und Eindrücke sammeln dürfen, die mir meine ehemaligen Mitschüler aus der Erinnerung heraus erzählten. Mit zwei ehemaligen Lehrern hatte ich auch ein sehr interessantes Gespräch. Meine Klassenlehrerin kam irgendwann zu mir hin und meinte ganz erstaunt: „Ich wusste gar nicht, das Sie reden können“. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, das Sie früher nur etwas gesagt haben, wenn Sie gefragt wurden“. Ja, ich war eine sehr ruhige Schülerin, aber dass ich soooooo wenig gesagt habe, das wusste ich selbst nicht mehr. So erzählte ich ihr von meiner Diagnose und sie holte immer mehr aus mit ihren Erinnerungen an mich und wie sie mich früher gesehen hat. Es war unglaublich. An viele Mitschüler konnte sie sich nicht mehr erinnern, aber ich war noch in sehr guter Erinnerung. Eigentlich hatte ich das Gegenteil erwartet, nämlich das die Erinnerungen an die etwas lebendigen Schüler höher waren, als an die Ruhigen. Während ich dann mal wieder zum Rauchen ging, kam meine ehemalige Mathelehrerin ebenfalls mit raus. Sie fragte gleich, was ich jetzt so mache und wiederum erzählte ich ihr in kurzen und knappen Sätzen von meiner ehrenamtlichen Tätigkeit und meiner Diagnose. Plötzlich sprudelte es nur so aus ihr heraus. So oft habe sie noch nach der Schulzeit an mich und mein „Anders sein“ denken müssen, besonders, nachdem sie viele Jahre später eine Schülerin erhielt, die die Diagnose Asperger-Autistin hatte und sie die einzige Vertraute für dieses Mädchen in der Schule war. Dieses Mädchen, so sagte sie, habe sie immer an mich erinnert.
Auch erhielt ich viel Lob von den anderen anwesenden Ehemaligen, da alle sehr erstaunt waren, wie ich mich verändert habe und damit meinten sie nicht äußerlich, sondern von meiner offenen Art.

Nach diesem Treffen brauchte ich mehrere Tage, um von all diesen Eindrücken und Erkenntnissen wieder in den Alltag zu finden. Meine Gedanken wirbelten wie ein Orkan in meinem Kopf, ich konnte tagelang nichts mit mir anfangen.

Es war für mich wie eine Reise in die Vergangenheit und ich werde diese Reise noch lange in Erinnerung behalten und freue mich bereits jetzt schon auf ein Wiedersehen, welches nun im nächsten Jahr geplant ist.