Dienstag, 27. August 2013

Meine Vorbereitung für eine wichtige Aussprache


Es ist schon seltsam, wie sich Dinge plötzlich in einem verändern, obwohl sich gar nichts geändert hat.  Nur ein langes und intensives Gespräch und schon sieht alles ganz anders aus. Eigentlich nicht anders, aber vieles wird mir gerade wesentlich bewusster und diese Erkenntnis habe ich wieder mal meinem Sohn zu verdanken. Aber diesmal schreibe ich nicht von meinem kleinen Aspie, nein, diesmal geht es um meinen ältesten Sohn.
Ich habe nie mit ihm über meinen Verdacht gesprochen, wir haben eigentlich nie viel miteinander gesprochen. Es ging meistens nur um wesentliche Dinge, die einfach besprochen oder gesagt werden mussten, aber Smalltalk gab es zwischen uns wenig. Unsere Gespräche hatten immer bestimmte Themen und ich habe eigentlich immer geglaubt, wir verstehen uns auch ohne viele Worte super gut. Ja, wir verstehen uns wirklich super gut, das hat mir dieses besagte Gespräch nun auch wieder aufgezeigt. Ich bin gerade mächtig stolz auf meinen Sohn, in diesem Moment sogar super stolz auf meine beiden Söhne, da bei uns gerade viele neue Veränderungen eingetreten sind, die jeder für sich und auf seine Art super gemeistert hat. Aber nun fange ich mal von vorne an, also mit dem Zeitpunkt, warum es zu diesem Gespräch mit meinem Sohn gekommen ist/kommen musste.

Es begann mit der bestandenen Prüfung meines Sohnes.  Freudestrahlend kam er nach Hause und teile mir sofort seine Prüfungsnote (2,0) und zeigte mir seine Urkunde, auf der nun schwarz auf weiß stand, welchen Titel er ab sofort tragen darf. Mein Gott, ich bin geplatzt vor stolz und mein Herz raste wie verrückt, innerlich. Rein äußerlich zeigte ich keinerlei Regung, keine Umarmung, einfach keine Emotionen, nur den einfachen und trockenen Satz: „Ich gratuliere dir“. Nachdem mein Sohn das Zimmer verlassen hatte, wurde mir ganz plötzlich bewusst, was ich da gerade angerichtet habe. Mir liefen sofort die Tränen, aber ich konnte es nicht ändern. Hinterher gehen und ihn noch einmal in den Arm nehmen und gratulieren? Nein, ich kann das nicht. Aber er ist mein Sohn, warum fällt mir das so schwer? Früher als Kind habe ich ihn doch auch immer in den Arm genommen, habe mit ihm gekuschelt. Ich war so verzweifelt und hilflos in diesem Moment, aber ich konnte es einfach nicht ändern. Gedanklich habe ich mir immer wieder neue Anläufe gesucht, damit er weiß, wie stolz ich auf ihn bin, wie sehr ich ihn liebe. Aber ich konnte es ihm nicht mitteilen und das schmerzte in diesem Moment so ungemein. Ich versuchte es dann mit Schreiben. Ich glaubte, wenn ich ihm einen Brief schreibe und ihm meine Gefühle darin mitteile, dann wird er mich vielleicht verstehen. Aber auch das klappte nicht, obwohl ich ja viel lieber und besser schreiben kann, als reden. Aber meinem Sohn einen Brief schreiben? Ist das nicht etwas zu fremd?
Mittags kam dann mein Mann von der Arbeit nach Hause und ich erzählte ihm ganz stolz von dem Prüfungsergebnis. In diesem Moment kam auch mein Sohn in den Raum und mein Mann ging sofort auf ihn los und umarmte ihn überschwänglich und sehr herzlich. Da liefen mir wieder die Tränen. Warum können die beiden sich so herzlich in den Arm nehmen, wo mein Mann nicht einmal sein leiblicher Vater ist und ich als Mutter stehe so neben der Spur und kann meine Gefühle meinem Kind gegenüber nicht so zeigen, wie ich sie innerlich spüre. In mir drin brach eine Welt zusammen und ich wusste nicht, wie ich dies ändern kann. Es musste ein Gespräch her und zwar sehr schnell, dessen war ich mir bewusst. Ich musste ihm von meinem Verdacht erzählen, bevor mein Anders sein und unsere Bindung komplett zerstört.
Tagelang ließen mich diese Gedanken nicht mehr los. Wie beginne ich dieses Gespräch? Aus dem tagelang wurde ein wochenlang.
Dann kam der Moment, in dem mein Sohn mir mitteilte, dass er mit dem Gedanken spielt, auszuziehen. Panik kam in mir hoch. Nicht, weil er ausziehen möchte, denn das Alter dazu hat er ja schließlich mit seinen derzeit 23 Jahren. Nein, die Panik in mir hatte andere Ursachen. Wenn er jetzt auszieht und ich nicht mit ihm gesprochen habe, dann ist alles vorbei. Er weiß ja nicht, dass ich ihn nicht anrufen kann und dass ich nie unangemeldet bei jemanden vor der Tür stehe. Mein Sohn wiederum ist ein sehr spontaner junger Mann und würde nie auf die Idee kommen, mich mal einzuladen in seine neue Wohnung bzw. telefonisch melden, das sind für ihn selbstverständliche Dinge. Ich würde ihn die erste Zeit nur sehen, wenn er seine Wäsche vorbei bringt zum waschen, bis er eine eigene Waschmaschine hat. Gedankenchaos pur. Mit jedem anderen konnte ich inzwischen über meine Gedanken und meine Ängste zu diesem Thema sprechen, aber nicht mit meinem Sohn.
Ich musste handeln, nur wie?
Seit Anfang August befinde ich mich nun selbst in der Diagnostik und seitdem hat sich vieles bei mir verändert. Ich entwickle plötzlich einen nie gekannten Ehrgeiz, Dinge zu bewältigen, die mir bisher große Schwierigkeiten bereitet haben.
Ich habe ja in meinem vorherigen Post über das Thema „Über den eigenen Schatten springen…“ geschrieben und dieses Gespräch gehörte nun auch zu einem meiner wichtigsten Übungen. Ich setzte mich also nun damit selbst unter Druck, dass es zu einer meiner Aufgaben gehört, dieses Gespräch unverzüglich zu suchen.  Fünf Tage hatte ich mir zur Frist gesetzt, dann musste ich meinen Sohn um ein Gespräch bitten. Ich war in dieser Zeit kaum aufnahmefähig und zu nichts zu gebrauchen, aber meine „Aufgaben“ wollte ich pflichtbewusst abhaken können. Dies wird nun wahrscheinlich kein NT verstehen, aber  für mich eine sehr große Herausforderung, der ich am liebsten aus dem Weg gegangen wäre. Am dritten Tag meiner mir gesetzten Frist nahm ich den gefühlten 1.000sten Anlauf und es hat geklappt. Mein Sohn saß morgens gerade am Frühstückstisch und die Gelegenheit war günstig, da sonst niemand aus der Familie weiter anwesend war. Ich frage in meiner gewohnten kurzen und knappen Art, ob er in den nächsten Tagen mal etwas Zeit für ein Gespräch hat. Natürlich fragte er sofort, um was es geht. Aber ich habe mich auf diese Frage lange genug vorbereitet und so konnte ich ihm wieder kurz und knapp eine Antwort geben, ohne auch nur ansatzweise auf den genauen Gesprächs-Punkt zu kommen. Da er kurze Zeit später zum Fußball musste, sagte er mir zu, dass er anschließend Zeit für mich hat und wir dann reden könnten. Natürlich war die Zeit dazwischen für mich sehr nervenaufreibend, da es bis zum frühen Abend noch dauern sollte, bis dieses für mich wichtige Gespräch nun endlich stattfinden sollte, aber der Anfang war getan und ich bin wieder einen Schritt weiter.
Im nächsten Post schreibe dann über MEIN Gespräch und den neuen Erkenntnissen.


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