Lange Zeit wusste
ich nicht, warum ich es nicht mag, wenn man mich für Dinge lobt, die doch fast
schon selbstverständlich sind (für mich zumindest) und dann konnte ich mich
über diese Art von Lob auch nicht wirklich freuen. Zu Zeiten, als ich meine
Eltern pflegte, haben mich die Nachbarn immer gelobt, wie viel Zeit ich mit und
für meine Eltern aufbringe. Warum lobt man mich dafür? Meine Eltern haben doch
auch ihre Zeit „geopfert“, um mich auf das Leben vorzubereiten und waren immer zur
Stelle, wenn ich Hilfe benötigte. Warum also sollte ich dies dann nicht auch
für meine Eltern machen, wenn sie nun Hilfe benötigen. Eine
Selbstverständlichkeit für mich und nichts besonderes, dass ein Lob wert wäre.
Als meine Mutter einen Schlaganfall erlitt und sie hilflos auf dem Sofa lag,
als ich nach der Arbeit zu meinen Eltern fuhr und sie dort liegen sah und nun
schnell reagieren musste, um den Notarzt zu alarmieren. Für dieses Telefonat,
wo mir keine Zeit zum Zurechtlegen von der
richtigen Wortwahl blieb, keine Zeit einen Notizzettel und einen Stift
griffbereit neben dem Telefon zu legen, dafür hätte man mich loben dürfen. Denn
Telefonieren ist für mich eine Überwindung, die sehr viel Zeit kostet und
Nerven.
Richtig bewusst
wurde mir das mit dem falschen bzw. richtigen Loben aber erst, als mein Sohn
beim Einschulungstest einen Overload hatte aufgrund eines für ihn falschen
Lobes. Mein Sohn musste ein Bild zeichnen mit einem Menschen. Man wollte
testen, ob er beim Menschen malen an alles denkt (Augen, Nase, Mund, 5 Finger
und Füße, etc.) Er malte ein Strichmännchen mit allen notwendigen Merkmalen,
aber dieses Strichmännchen hatte einen langen und einen kurzen Arm sowie zwei
ungleiche Füße und riesige Ohren. Es war kein schönes Bild aus der Sicht meines
Sohnes. Aber zur Auswertung für die Einschulung war es genau richtig, da es nur
auf die Merkmale ankam, nicht auf die Schönheit. Das sah mein Sohn aber nicht
und konnte mit diesem Lob „Das hast du ganz toll gemacht“ nichts anfangen und
war der Meinung, dass alle anwesenden nur Lügen würden. Dies ist ein falsches
Lob gewesen und damit konnte er nicht umgehen. Richtig wäre es gewesen, wenn
man ihm erklärt hätte, dass es auf die Merkmale ankommt und ihn für die
richtige Lösung der Aufgabenstellung das Lob ausgesprochen hätte, nicht für das
Gesamtbild.
Uns ist es beim Loben sehr wichtig, dass wir
für Dinge gelobt werden, die wir in Situationen gut machen, obwohl sie für uns
schwierig sind in der Art der Ausführung.
Ein weiteres
Beispiel des falschen Lobes ist, wenn ich mich überwinde und zum Friseur gehe.
Dies fällt mir unwahrscheinlich schwer, weil mich die vielen Spiegel verrückt
machen und dort immer viel Smalltalk gehalten wird. Wenn ich mich dann aber mal
überwunden habe und nach Hause komme und mein Mann meine neue Frisur lobt, ist
dies ein falsches Lob für mich. Jede andere Frau würde sich über
so ein Kompliment vielleicht freuen, ich nicht. Denn wenn mein Mann meine
Frisur lobt, dann ist dies die Arbeit bzw. Leistung der Friseuse. Lobt er mich,
weil ich es mal wieder geschafft habe zum Friseur zu gehen, dann ist es für
mich ein aufrichtiges und ehrliches Loben.
Kritik kann ich
sehr gut wegstecken und auch gut mit umgehen. Ich nehme es an, es beschäftigt
mich auch, versuche aber gleichzeitig auch zu überlegen, was oder wie ich es hätte
besser machen können. Über Kritik bin ich auch nicht böse, ganz im Gegenteil,
es spornt mich an, es beim nächsten Mal einfach besser zu machen.
Mein Sohn ist ein
guter Schüler und in seinen schriftlichen Arbeiten bringt er überwiegend nur
Einser mit nach Hause. Fächer, die ihm nicht so liegen, da kommen dann auch mal
Zweier oder Dreier als Note nach Hause, was ja immer noch gute Zensuren sind.
Würde ich ihn aber nun für eine Zwei oder Drei Loben, dann fehlt ihm das
Verständnis, da ein Lob nur bei einer Eins gerechtfertigt ist, da dies der
Beweis für eine fehlerfreie Arbeit ist. Bei allen anderen Zensuren sind Fehler
enthalten und Fehler dürfen seiner Meinung nach nicht gelobt werden. Dies
musste ich auch erst lernen, denn bei den Zensuren habe ich es nie so gesehen.
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