Samstag, 20. September 2014

Besondere Worte

„Ich liebe dich“ oder „Ich hab dich lieb“ – Wie oft werden diese Worte ausgesprochen und entgegengenommen, ohne das man das besondere daran hört, bemerkt oder „sieht“?
Ich kann diese Frage nicht beantworten, denn ich gehöre zu den Menschen, die diese Worte sehr selten über die Lippen bringen. Nicht, weil ich nicht lieben kann oder geliebt werde, sondern weil ich nicht fähig bin, diese Wörter im richtigen Moment auszusprechen bzw. in der richtigen Tonlage. Bei mir käme ein „Ich hab dich lieb“ wahrscheinlich genau so emotionsvoll rüber wie „Ich habe Hunger“ oder „Ich bin müde“.
Ich kann mich an eine Situation erinnern, bei der ich es meinem Mann einmal mitgeteilt habe. Es war noch ziemlich früh am Anfang unserer Beziehung. Ich glaubte, ich müsste es ihm sagen, damit er weiß, wie es in mir gerade ausschaut. Aber ich habe es wohl so trocken gesagt und im gleichen Atemzug mit vielen anderen Sätzen, das er es nicht wirklich wahrgenommen hat. Danach habe ich es nie wieder gesagt. Er fragt mich öfters, ob ich ihn noch lieb habe oder so und ich antworte dann halt kurz und knapp mit einem Ja. Inzwischen hat mein Mann es gelernt und akzeptiert, dass er solche Worte von mir nie zu hören bekommt und ist deswegen nicht böse oder enttäuscht. Wenn er diese Worte zu mir sagt, ist es so, das ich in diesen Momenten schon fast ein schlechtes Gewissen bekomme, da ich es nie so sagen kann. Ich versuche es halt auf meine Art und Weise und es scheint zu funktionieren, denn wir verstehen uns oft auch ohne Worte und das ist mir sehr wichtig.

Mein kleiner Sohn ist mir da sehr ähnlich. Auch von ihm haben wir noch nie ein „Ich hab dich lieb Mama“ oder ähnliches gehört. Seine Art mit uns zu reden ist stark tagesformabhängig. Oftmals hat er einen sehr diktatorischen Ton an sich, selten gibt es ein „Bitte“ oder gar „Danke“. Von außen hört sich das sicherlich sehr gefühlslos an, aber man gewöhnt sich mit der Zeit an vieles, auch an die Art mit uns zu reden. Auch mit Betitelungen unserer Familie gegenüber ist er nicht gerade kleinlich und dann kommt es halt oft auch zu Auseinandersetzungen zwischen mir und meinem Sohn, da er es oftmals ironisch meint, ich Ironie aber nicht immer erkenne und schon eskaliert es zwischen uns.
Während er in der einen Sekunde in einem sehr unwürdigen Ton mit uns spricht, passiert es auch, das er in der nächsten Sekunde mit unwahrscheinlich viel Wärme in der Tonlage uns etwas mitteilt. Es ist bei ihm wirklich extrem scher einzuschätzen, wie bzw. was er dann gerade damit ausdrücken will, da ich die schnell wechselnden Tonlagen einfach nicht auseinander halten kann.
Gestern war wieder so ein Moment. Nun steht die Klassenfahrt bevor und wir bereiten alles vor. Während ich ihn nun frage, was er so mitnehmen möchte und es ihn total langweilt und ich auch eine dementsprechende Antwort erhalte, die mich fast schon wieder in den Wahnsinn treibt (RW), kommt plötzlich ganz unsicher diese Frage von ihm, die mich heute noch innerlich total aufwühlt. Die Kinder sollen/dürfen Briefmarken und eine Liste mit Adressen mitnehmen, damit sie evtl. Ansichtskarten schreiben können. Natürlich erwarten wir dies von unserem Sohn nicht, denn das wäre total untypisch für ihn. Gestern dann die erste Frage: “Soll ich euch eine Karte schreiben?“
ICH: „Darüber würden wir uns sehr freuen. Musst du aber nicht, nur wenn du es wirklich möchtest“.
Sohn: „Was schreibe ich denn dann?“
Ich: „Vielleicht, wie es dir gefällt oder das du gut angekommen bist?“
Sohn: „Kann ich auch schreiben: Ich habe euch ganz doll lieb“

Der Dialog war meinerseits unterbrochen. Diese Worte!!! Mir kamen die Tränen, so habe ich noch nie reagiert bzw. empfunden, wenn mir dies jemand sagt. Mein Sohn hat gerade diese besonderen Worte ausgesprochen, wenn auch nur als Frage, auf die wir von ihm nun seit fast 10 Jahren warten. Er hat es uns ja auch noch nie auf eine andere Art gezeigt, in dem er uns mal in den Arm genommen hat oder einfach nur fest gedrückt hat. Er mag die körperliche Nähe nicht.

Nachdem ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte, antwortete ich endlich mit einem „Das wären die schönsten Zeilen, die du uns schreiben könntest“.
Die Unterhaltung war beendet und er widmete sich wieder anderen Dingen. Auch ich musste meine gerade ausgeführte Tätigkeit unterbrechen und mich erst wieder gedanklich sortieren.
Es war einer der schönsten Momente, die ich nicht in Worte fassen kann.
Ich denke und hoffe aber, dass einige diesen besonderen Moment gerade sehr gut verstehen und nachempfinden können. Es ist etwas Besonderes für uns…





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