Dienstag, 10. Dezember 2013

Eine Reise in die Vergangenheit

Sorry, ich habe schon lange nichts mehr geschrieben. Leider fand ich keine Zeit, immer gab es wieder neue Hürden, die bewältigt werden mussten. Aber nun, wo für viele der alljährliche Weihnachtsstress losgeht, kehrt bei mir wieder etwas Ruhe ein. Ruhe und Zeit, damit ich wieder Schreiben kann.

In der letzten Zeit ist soviel um mich herum passiert, dass ich gar nicht wirklich weiß, wo ich anfangen soll.
Vor einigen Wochen hatte ich Klassentreffen. Ein Wiedersehen mit ehemaligen Mitschülern, zu denen ich seit mehr als 30 Jahren keinen Kontakt mehr habe. Einerseits war da die Neugier und Vorfreude auf meine allerliebste Schulfreundin, andererseits auch wieder diese Ängste. Ängste um einen nicht vorhersehbaren Ablauf des Abends mit mir doch inzwischen fremden Menschen. Wie verläuft die Kommunikation mit meinen ehemaligen Mitschülern? Wird mich jemand ansprechen oder verbringe ich, wie früher, die meiste Zeit auf meinen Platz und schaue nur interessant in die Runde und beobachte? Email- und Telefonkontakt habe ich noch mit zwei ehemaligen Schulfreundinnen und denen habe ich im Vorfeld ja schon von meiner Diagnose und meinen Kommunikationsschwierigkeiten erzählt. Diese wollten mich unterstützen und in Gespräche verwickeln. Auch meine damals beste Schulfreundin hatte sich ja vor dem Klassentreffen mit mir in Verbindung gesetzt und wusste nun Bescheid.
Mit einem doch sehr mulmigen Gefühl begab ich mich nun zu diesem Klassentreffen. Mit meiner damals allerbesten Freundin habe ich mich vor dem Treffpunkt verabredet, damit wir gemeinsam reingehen können. Das erleichterte mir die Sache schon ungemein. Als wir dann in den für uns zur Verfügung gestellten Raum gingen, waren bereits drei Personen anwesend. Wir wurden sofort überschwänglich freundlich mit einer Umarmung begrüßt. Die erste Hürde war genommen. Nach und nach trudelten dann auch die anderen Mitschüler ein. Es wunderte mich nicht wirklich, aber bis auf zwei Ehemalige habe ich alle sofort wieder erkannt nach all der Zeit. Auch vier ehemalige Lehrer kamen. Es wurden Fotos herumgereicht und man kam doch relativ schnell ins Gespräch. Natürlich war, wie schon in Schulzeiten, meine allerbeste Freundin immer an meiner Seite. Irgendwie hatte sich bei uns nichts geändert, trotz der langen Zeit, die wir ohne Kontakt waren, es war sofort wieder diese vertraute Situation aus Schulzeiten. Jeder wechselte irgendwann mal seinen Platz, um mit dem einen oder anderen Erinnerungen auszutauschen bzw. etwas aus dem derzeitigen Leben zu erfahren. Jeder? Nein. Ich saß die ganze Zeit auf meinem Stuhl und wechselte nie. Stand nur auf, wenn ich zum Rauchen mit meiner Freundin nach Draussen ging. Aber ich hatte ständig andere Platznachbarn und so konnte ich mich auch mit einigen ehemaligen Mitschülern unterhalten. Es war ein sehr schöner und sehr langer Abend, aber vor allem auch ein sehr Interessanter, denn ich habe wieder soooooo viel erfahren von mir und Eindrücke sammeln dürfen, die mir meine ehemaligen Mitschüler aus der Erinnerung heraus erzählten. Mit zwei ehemaligen Lehrern hatte ich auch ein sehr interessantes Gespräch. Meine Klassenlehrerin kam irgendwann zu mir hin und meinte ganz erstaunt: „Ich wusste gar nicht, das Sie reden können“. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, das Sie früher nur etwas gesagt haben, wenn Sie gefragt wurden“. Ja, ich war eine sehr ruhige Schülerin, aber dass ich soooooo wenig gesagt habe, das wusste ich selbst nicht mehr. So erzählte ich ihr von meiner Diagnose und sie holte immer mehr aus mit ihren Erinnerungen an mich und wie sie mich früher gesehen hat. Es war unglaublich. An viele Mitschüler konnte sie sich nicht mehr erinnern, aber ich war noch in sehr guter Erinnerung. Eigentlich hatte ich das Gegenteil erwartet, nämlich das die Erinnerungen an die etwas lebendigen Schüler höher waren, als an die Ruhigen. Während ich dann mal wieder zum Rauchen ging, kam meine ehemalige Mathelehrerin ebenfalls mit raus. Sie fragte gleich, was ich jetzt so mache und wiederum erzählte ich ihr in kurzen und knappen Sätzen von meiner ehrenamtlichen Tätigkeit und meiner Diagnose. Plötzlich sprudelte es nur so aus ihr heraus. So oft habe sie noch nach der Schulzeit an mich und mein „Anders sein“ denken müssen, besonders, nachdem sie viele Jahre später eine Schülerin erhielt, die die Diagnose Asperger-Autistin hatte und sie die einzige Vertraute für dieses Mädchen in der Schule war. Dieses Mädchen, so sagte sie, habe sie immer an mich erinnert.
Auch erhielt ich viel Lob von den anderen anwesenden Ehemaligen, da alle sehr erstaunt waren, wie ich mich verändert habe und damit meinten sie nicht äußerlich, sondern von meiner offenen Art.

Nach diesem Treffen brauchte ich mehrere Tage, um von all diesen Eindrücken und Erkenntnissen wieder in den Alltag zu finden. Meine Gedanken wirbelten wie ein Orkan in meinem Kopf, ich konnte tagelang nichts mit mir anfangen.

Es war für mich wie eine Reise in die Vergangenheit und ich werde diese Reise noch lange in Erinnerung behalten und freue mich bereits jetzt schon auf ein Wiedersehen, welches nun im nächsten Jahr geplant ist.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen