Sorry, ich
habe schon lange nichts mehr geschrieben. Leider fand ich keine Zeit, immer gab
es wieder neue Hürden, die bewältigt werden mussten. Aber nun, wo für viele der
alljährliche Weihnachtsstress losgeht, kehrt bei mir wieder etwas Ruhe ein.
Ruhe und Zeit, damit ich wieder Schreiben kann.
In der letzten
Zeit ist soviel um mich herum passiert, dass ich gar nicht wirklich weiß, wo
ich anfangen soll.
Vor einigen
Wochen hatte ich Klassentreffen. Ein Wiedersehen mit ehemaligen Mitschülern, zu
denen ich seit mehr als 30 Jahren keinen Kontakt mehr habe. Einerseits war da
die Neugier und Vorfreude auf meine allerliebste Schulfreundin, andererseits
auch wieder diese Ängste. Ängste um einen nicht vorhersehbaren Ablauf des
Abends mit mir doch inzwischen fremden Menschen. Wie verläuft die Kommunikation
mit meinen ehemaligen Mitschülern? Wird mich jemand ansprechen oder verbringe
ich, wie früher, die meiste Zeit auf meinen Platz und schaue nur interessant in
die Runde und beobachte? Email- und Telefonkontakt habe ich noch mit zwei
ehemaligen Schulfreundinnen und denen habe ich im Vorfeld ja schon von meiner
Diagnose und meinen Kommunikationsschwierigkeiten erzählt. Diese wollten mich
unterstützen und in Gespräche verwickeln. Auch meine damals beste Schulfreundin
hatte sich ja vor dem Klassentreffen mit mir in Verbindung gesetzt und wusste nun
Bescheid.
Mit einem
doch sehr mulmigen Gefühl begab ich mich nun zu diesem Klassentreffen. Mit
meiner damals allerbesten Freundin habe ich mich vor dem Treffpunkt verabredet,
damit wir gemeinsam reingehen können. Das erleichterte mir die Sache schon ungemein.
Als wir dann in den für uns zur Verfügung gestellten Raum gingen, waren bereits
drei Personen anwesend. Wir wurden sofort überschwänglich freundlich mit einer
Umarmung begrüßt. Die erste Hürde war genommen. Nach und nach trudelten dann
auch die anderen Mitschüler ein. Es wunderte mich nicht wirklich, aber bis auf
zwei Ehemalige habe ich alle sofort wieder erkannt nach all der Zeit. Auch vier
ehemalige Lehrer kamen. Es wurden Fotos herumgereicht und man kam doch relativ
schnell ins Gespräch. Natürlich war, wie schon in Schulzeiten, meine allerbeste
Freundin immer an meiner Seite. Irgendwie hatte sich bei uns nichts geändert,
trotz der langen Zeit, die wir ohne Kontakt waren, es war sofort wieder diese
vertraute Situation aus Schulzeiten. Jeder wechselte irgendwann mal seinen
Platz, um mit dem einen oder anderen Erinnerungen auszutauschen bzw. etwas aus
dem derzeitigen Leben zu erfahren. Jeder? Nein. Ich saß die ganze Zeit auf
meinem Stuhl und wechselte nie. Stand nur auf, wenn ich zum Rauchen mit meiner
Freundin nach Draussen ging. Aber ich hatte ständig andere Platznachbarn und so
konnte ich mich auch mit einigen ehemaligen Mitschülern unterhalten. Es war ein
sehr schöner und sehr langer Abend, aber vor allem auch ein sehr Interessanter,
denn ich habe wieder soooooo viel erfahren von mir und Eindrücke sammeln
dürfen, die mir meine ehemaligen Mitschüler aus der Erinnerung heraus erzählten.
Mit zwei ehemaligen Lehrern hatte ich auch ein sehr interessantes Gespräch.
Meine Klassenlehrerin kam irgendwann zu mir hin und meinte ganz erstaunt: „Ich wusste
gar nicht, das Sie reden können“. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, das Sie
früher nur etwas gesagt haben, wenn Sie gefragt wurden“. Ja, ich war eine sehr
ruhige Schülerin, aber dass ich soooooo wenig gesagt habe, das wusste ich
selbst nicht mehr. So erzählte ich ihr von meiner Diagnose und sie holte immer
mehr aus mit ihren Erinnerungen an mich und wie sie mich früher gesehen hat. Es
war unglaublich. An viele Mitschüler konnte sie sich nicht mehr erinnern, aber
ich war noch in sehr guter Erinnerung. Eigentlich hatte ich das Gegenteil
erwartet, nämlich das die Erinnerungen an die etwas lebendigen Schüler höher
waren, als an die Ruhigen. Während ich dann mal wieder zum Rauchen ging, kam
meine ehemalige Mathelehrerin ebenfalls mit raus. Sie fragte gleich, was ich
jetzt so mache und wiederum erzählte ich ihr in kurzen und knappen Sätzen von
meiner ehrenamtlichen Tätigkeit und meiner Diagnose. Plötzlich sprudelte es nur
so aus ihr heraus. So oft habe sie noch nach der Schulzeit an mich und mein „Anders
sein“ denken müssen, besonders, nachdem sie viele Jahre später eine Schülerin
erhielt, die die Diagnose Asperger-Autistin hatte und sie die einzige Vertraute
für dieses Mädchen in der Schule war. Dieses Mädchen, so sagte sie, habe sie
immer an mich erinnert.
Auch
erhielt ich viel Lob von den anderen anwesenden Ehemaligen, da alle sehr
erstaunt waren, wie ich mich verändert habe und damit meinten sie nicht äußerlich,
sondern von meiner offenen Art.
Nach diesem
Treffen brauchte ich mehrere Tage, um von all diesen Eindrücken und Erkenntnissen
wieder in den Alltag zu finden. Meine Gedanken wirbelten wie ein Orkan in
meinem Kopf, ich konnte tagelang nichts mit mir anfangen.
Es war für
mich wie eine Reise in die Vergangenheit und ich werde diese Reise noch lange
in Erinnerung behalten und freue mich bereits jetzt schon auf ein Wiedersehen,
welches nun im nächsten Jahr geplant ist.
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